[:es](Magdalena Kraus)

Das vergangene Wintersemester, von August 2014 bis Februar 2015, bekam ich die Möglichkeit im Rahmen des Lateinamerikastipendiums der Universität Wien ein Semester an der staatlichen Universität in Piura, in der Küstenregion im Norden Perus, zu verbringen. Im Folgenden möchte ich einige meiner Eindrücke der peruanischen, piuranischen Realität teilen, die ich in diesem halben Jahr erfahren durfte.
Zunächst muss ich erwähnen, dass ich die Stadt und Region Piura schon von einem längeren Aufenthalt vor einigen Jahren relativ gut kannte. Ich wollte zurückkehren, denn ich hatte irgendwie mein Herz verloren, an diese von der Sechura Wüste umgebene, auf den ersten Blick vielleicht sehr karg wirkende, Stadt. Um ein kleines historisches Stadtzentrum, welches aufgrund der ewigen Hitze und des Phänomens „El niño“ immer wieder zerstört und erneuert wurde, reihen sich die Gegensätze: „asentamientos humanos“[1], Viertel an den Rändern der Stadt, in denen meist Migrant_innen aus der Sierra des departamento Piura leben, mit wenig bis keiner Präsenz staatlicher Institutionen. Die Menschen, die dort leben, gestalten diese so trockenen Orte, in denen jedoch vor allem die Wasserversorgung ein Problem darstellt, oftmals mit viel Hingabe; diese Viertel werden jedoch auch als Orte der Gewalt und der pandilleros[2] wahrgenommen und beschrieben.
Das andere Extrem lernte ich an einem sonntäglichen Ausflug mit einer sehr guten Freundin kennen. Wir fuhren in Richtung „Los Ejidos“, wo sich inzwischen ein „barrio cerrado“[3] ans andere reiht. Der Guachimán[4] am Eingang ließ uns hineinfahren und ich konnte kaum glauben, welchen akkumulierten Luxus ich sah. Jedoch möchte ich hier nun nicht die Erzählung der gravierenden Ungleichheiten wiederholen, sondern den Blick auf die Momente legen, die mich begeistert, erstaunt, mitgerissen und bewegt haben.
In der Universität, auf dem großen Campus am Rande der Stadt, hinter dem die großen Baumwoll- und Spargelfelder beginnen, und neben dem chilenischen Hipermercado Tottus, den es seit dem Jahr 2011 gibt, war meine Fakultät, die der Ciencias Sociales y Educación. Dort, besser gesagt die Rotonda vor dem Gebäude, ist der Ort, an dem politische, kulturelle, studentische Aktivitäten geschehen und Auseinandersetzungen öffentlich ausgetragen werden. So konnte ich dort die hitzigen Debatten zwischen den Repräsentant_innen der beiden größeren Parteien der dortigen Unipolitik, Fuerza y Unidad Estudiantil (FUE) und Nueva Alianza de Solución Academica (NASA) mit einer regen Beteiligung von Zuschauer_innen verfolgen und war begeistert mit welcher Überzeugung gesprochen und debattiert wurde. Themen sind meist die sehr gegenwärtige Korruption in der Universität und die Forderung nach kritischer Bildung de calidad, welche auch die Evaluation der Lehrenden miteinbezieht.
Ich konnte zwei Pole bezüglich der Involviertheit der Studierenden in politischen Organisationen beobachten: Einerseits Studierende, die sich (oftmals links-) politisch lautstark und sehr engagiert für ihre Belange einsetzen. Andererseits Studierende und junge Menschen mit wenig bis keinem Vertrauen gegenüber politischen Repräsentant_innen, mit einer gewissen Furcht, sich als „links“ zu bekennen, auch wenn einige vielleicht in diese Richtung sympathisieren würden. Diese Furcht ist eine der Langzeitauswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen staatlicher Gewalt und der maostischen Gruppierung „Sendero Luminoso“ der 80er und 90er Jahre. Damals wurde Peru und vor allem auch die öffentlichen Universitäten zum Schauplatz von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, da die öffentlichen Unis und deren Studierende mit Terrorist_innen und Anhänger_innen des Sendero Luminoso in Verbindung gebracht wurden. Auch heute noch beschimpfen die Anhänger_innen der NASA die Mitglieder der linken FUE als „terrucos“. Diese Furcht, ja gar ein Trauma, zeigt sich auch immer wieder im Stillschweigen über diese Epoche peruanischer Geschichte. Als mir ein Freund erzählte, was damals in seinem Dorf passierte und ich ihn danach fragte, diese Dinge aufzuschreiben (da er sehr viel schreibt), fing er an zu flüstern, dass dies eher nicht möglich sei. Seine Mutter hätte außerdem Angst, dass er sich an der Uni in einen Kommunisten verwandeln würde.
Tag für Tag wird mir aufs Neue bewusst, unter welchen prekären Umständen meine Freund_innen an der Uni leben, studieren, arbeiten und trotzdem auch noch Zeit und Energie aufwenden sich (politisch) zu organisieren. Eine Freundin, Keyla, verkaufte mir einmal, wie es so oft vorkam, una rifa[5], für ein Grillen bei ihr Zuhause. Ihre Tante hat eine bolita im Magen, und da diese entfernt werden müsste, machen sie eben jetzt diese Grillerei. Am Abend erzählte ich meiner Freundin Gabi von der Rifa und sie kommentierte: „Asi funciona nuestra sistema de salud en el Perú. Vendemos rifas.“
Ein anderes Thema, das in meinem Alltag sehr präsent war, hat mit dem Kampf der Mädchen und Frauen gegen körperliche Gewalt zu tun. An der Uni gibt es die Gruppe AFEP (Asociación Feminina Estudiantil del Perú), die mit ihren Sensibilisierungskampagnen diesbezüglich sehr aktiv ist. Jedoch bekam ich auch in meinem eigenen Freundeskreis die Dynamik und das Ausmaß von Gewalt gegenüber jungen Frauen mit, welche sich oft in scheinbar ausweglosen Situationen wiederfinden, in denen ein gewisses Maß an körperlicher Gewalt auch als ein Teil einer „Normalität“ und Alltäglichkeit wahrgenommen zu werden scheint.
Auch hatte ich die Möglichkeit zu vielen Gesprächen und Austausch mit den Studienkolleg_innen; die meisten waren zu dem Zeitpunkt zwischen 18 und 22 Jahren alt und stammen nicht aus Piura selbst, sondern wohnen aufgrund ihres Studiums in der Stadt, während ihre Familien im Umland, an der Küste oder in der Sierra leben. Sie erzählten mir und schrieben über ihre Erfahrungen in der Stadt, die Erfahrungen mit Diskriminierung, „del ser choleado“. Auch ich bekam diesen Aspekt einer Bevölkerung clasista[6] mit, da es mir nicht erlaubt wurde, meine Studienkolleg_innen zum Erarbeiten von Referaten nach Hause einzuladen. Ich lebte im Stadtviertel Miraflores, nahe der Uni, im Haushalt einer Mittelklasse Familie, bei der ich ein Zimmer gemietet hatte. Die ältere Señora jedoch war gar nicht begeistert, als sie eines Tages meine Freund_innen und mich erblickte und gab das sowohl ihnen als auch mir zu spüren. Das hatte jedoch nichts mit Besuch generell zu tun, denn mein italienischer Freund konnte problemlos bei mir übernachten. Es war deren soziale Herkunft, die ein Problem darzustellen schien, was mir poco a poco kommuniziert wurde und mich sehr wütend machte.

Eine Lehrende bleibt mir besonders im Gedächtnis, die Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Leonor Lopez Murillo. Eine starke Frau, welche sich in dem männlich dominierten Umfeld der Universität behaupten musste . Sie ist gefürchtet und verlangt den Studierenden viel ab, lässt dabei jedoch unglaublich viel Raum für kritische Diskussionen, Nachfragen, Debatten. Ab und zu ließ sie sich vor oder nach den Einheiten zu Gesprächen mit den Studierenden hinreißen. Ich möchte hier anmerken, dass diese Art von Lehrenden, die sich klar positionieren und ein offenes Ohr für die Probleme der Studierenden haben, ein wichtiger Ankerpunkt für die Studierenden zu sein scheinen, denn Themen wie der Menschenhandel mit jungen Frauen und die alltägliche Gewalt und delincuencia sind der Realität der meisten Studierenden nicht fern. Eines Nachmittags forderte sie uns dazu auf, uns nie unterwürfig gegenüber Autoritäten zu verhalten, sondern unseren Standpunkt zu verteidigen. Außerdem ermutigte sie die Studierenden der Ciencias Sociales y Educación trotz des schlechten Ansehens ihres Studienfaches in der Gesellschaft erhobenen Hauptes aufzutreten: „Se mueren de hambre (como profesores), pero con orgullo.“
Und wenn sich wieder einmal hitzige Diskussionen während der Einheiten entfacht hatten und die Rede auf die kommenden Präsidentschaftswahlen, die eigene Verantwortung und die zivilgesellschaftliche Organisierung kam, da bemerkte sie bezüglich der Lethargie großer Teile der Bevölkerung hinsichtlich des politischen Systems: „Un día cada uno hay que preguntarse: Cuanto te duele tu país?“
Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, welche ich in diesen sechs Monaten machen durfte und voller Zuneigung und Werschätzung für Piura y su gente, que lucha cada día, welche ich bewundere für ihr stetiges, mantrahaftes „seguir adelante“.
[1]Asentamientos humanos: marginalisierte Teile der Stadt an den Peripherien, welche sich meist bilden, wenn Migrant_innen „über Nacht“ „invadieren“ und sich ein Stück Land auf diese irreguläre Art und Weise aneignen (invasiones).
[2]dt.: Bandenmitglied
[3]Geschlossene Wohnkomplexe mit verschiedenen Arten von Zugangsbeschränkungen, welche oftmals großflächige Siedlungen inklusive deren Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, Kindergarten usw.) umfassen und vor allem mit dem Sicherheitsaspekt werben.
[4]dt.: Wächter, Wort kommt vom Englischen „Watchman“
[5]Eigtl. Tombola oder Verlosung, allerdings wird der Begriff auch in diesem Fall benutzt, wenn es um den Verkauf eines Bons für ein Mittagessen geht.
[6]Bezieht sich auf soziale Klassen und bedeutet ein gewisses Klassenbewusstsein, mit dem sich meist privilegiertere Klassen „vom Rest“ abheben und differenzieren.
[:de](Magdalena Kraus)

Das vergangene Wintersemester, von August 2014 bis Februar 2015, bekam ich die Möglichkeit im Rahmen des Lateinamerikastipendiums der Universität Wien ein Semester an der staatlichen Universität in Piura, in der Küstenregion im Norden Perus, zu verbringen. Im Folgenden möchte ich einige meiner Eindrücke der peruanischen, piuranischen Realität teilen, die ich in diesem halben Jahr erfahren durfte.
Zunächst muss ich erwähnen, dass ich die Stadt und Region Piura schon von einem längeren Aufenthalt vor einigen Jahren relativ gut kannte. Ich wollte zurückkehren, denn ich hatte irgendwie mein Herz verloren, an diese von der Sechura Wüste umgebene, auf den ersten Blick vielleicht sehr karg wirkende, Stadt. Um ein kleines historisches Stadtzentrum, welches aufgrund der ewigen Hitze und des Phänomens „El niño“ immer wieder zerstört und erneuert wurde, reihen sich die Gegensätze: „asentamientos humanos“[1], Viertel an den Rändern der Stadt, in denen meist Migrant_innen aus der Sierra des departamento Piura leben, mit wenig bis keiner Präsenz staatlicher Institutionen. Die Menschen, die dort leben, gestalten diese so trockenen Orte, in denen jedoch vor allem die Wasserversorgung ein Problem darstellt, oftmals mit viel Hingabe; diese Viertel werden jedoch auch als Orte der Gewalt und der pandilleros[2] wahrgenommen und beschrieben.
Das andere Extrem lernte ich an einem sonntäglichen Ausflug mit einer sehr guten Freundin kennen. Wir fuhren in Richtung „Los Ejidos“, wo sich inzwischen ein „barrio cerrado“[3] ans andere reiht. Der Guachimán[4] am Eingang ließ uns hineinfahren und ich konnte kaum glauben, welchen akkumulierten Luxus ich sah. Jedoch möchte ich hier nun nicht die Erzählung der gravierenden Ungleichheiten wiederholen, sondern den Blick auf die Momente legen, die mich begeistert, erstaunt, mitgerissen und bewegt haben.
In der Universität, auf dem großen Campus am Rande der Stadt, hinter dem die großen Baumwoll- und Spargelfelder beginnen, und neben dem chilenischen Hipermercado Tottus, den es seit dem Jahr 2011 gibt, war meine Fakultät, die der Ciencias Sociales y Educación. Dort, besser gesagt die Rotonda vor dem Gebäude, ist der Ort, an dem politische, kulturelle, studentische Aktivitäten geschehen und Auseinandersetzungen öffentlich ausgetragen werden. So konnte ich dort die hitzigen Debatten zwischen den Repräsentant_innen der beiden größeren Parteien der dortigen Unipolitik, Fuerza y Unidad Estudiantil (FUE) und Nueva Alianza de Solución Academica (NASA) mit einer regen Beteiligung von Zuschauer_innen verfolgen und war begeistert mit welcher Überzeugung gesprochen und debattiert wurde. Themen sind meist die sehr gegenwärtige Korruption in der Universität und die Forderung nach kritischer Bildung de calidad, welche auch die Evaluation der Lehrenden miteinbezieht.
Ich konnte zwei Pole bezüglich der Involviertheit der Studierenden in politischen Organisationen beobachten: Einerseits Studierende, die sich (oftmals links-) politisch lautstark und sehr engagiert für ihre Belange einsetzen. Andererseits Studierende und junge Menschen mit wenig bis keinem Vertrauen gegenüber politischen Repräsentant_innen, mit einer gewissen Furcht, sich als „links“ zu bekennen, auch wenn einige vielleicht in diese Richtung sympathisieren würden. Diese Furcht ist eine der Langzeitauswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen staatlicher Gewalt und der maostischen Gruppierung „Sendero Luminoso“ der 80er und 90er Jahre. Damals wurde Peru und vor allem auch die öffentlichen Universitäten zum Schauplatz von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, da die öffentlichen Unis und deren Studierende mit Terrorist_innen und Anhänger_innen des Sendero Luminoso in Verbindung gebracht wurden. Auch heute noch beschimpfen die Anhänger_innen der NASA die Mitglieder der linken FUE als „terrucos“. Diese Furcht, ja gar ein Trauma, zeigt sich auch immer wieder im Stillschweigen über diese Epoche peruanischer Geschichte. Als mir ein Freund erzählte, was damals in seinem Dorf passierte und ich ihn danach fragte, diese Dinge aufzuschreiben (da er sehr viel schreibt), fing er an zu flüstern, dass dies eher nicht möglich sei. Seine Mutter hätte außerdem Angst, dass er sich an der Uni in einen Kommunisten verwandeln würde.
Tag für Tag wird mir aufs Neue bewusst, unter welchen prekären Umständen meine Freund_innen an der Uni leben, studieren, arbeiten und trotzdem auch noch Zeit und Energie aufwenden sich (politisch) zu organisieren. Eine Freundin, Keyla, verkaufte mir einmal, wie es so oft vorkam, una rifa[5], für ein Grillen bei ihr Zuhause. Ihre Tante hat eine bolita im Magen, und da diese entfernt werden müsste, machen sie eben jetzt diese Grillerei. Am Abend erzählte ich meiner Freundin Gabi von der Rifa und sie kommentierte: „Asi funciona nuestra sistema de salud en el Perú. Vendemos rifas.“
Ein anderes Thema, das in meinem Alltag sehr präsent war, hat mit dem Kampf der Mädchen und Frauen gegen körperliche Gewalt zu tun. An der Uni gibt es die Gruppe AFEP (Asociación Feminina Estudiantil del Perú), die mit ihren Sensibilisierungskampagnen diesbezüglich sehr aktiv ist. Jedoch bekam ich auch in meinem eigenen Freundeskreis die Dynamik und das Ausmaß von Gewalt gegenüber jungen Frauen mit, welche sich oft in scheinbar ausweglosen Situationen wiederfinden, in denen ein gewisses Maß an körperlicher Gewalt auch als ein Teil einer „Normalität“ und Alltäglichkeit wahrgenommen zu werden scheint.
Auch hatte ich die Möglichkeit zu vielen Gesprächen und Austausch mit den Studienkolleg_innen; die meisten waren zu dem Zeitpunkt zwischen 18 und 22 Jahren alt und stammen nicht aus Piura selbst, sondern wohnen aufgrund ihres Studiums in der Stadt, während ihre Familien im Umland, an der Küste oder in der Sierra leben. Sie erzählten mir und schrieben über ihre Erfahrungen in der Stadt, die Erfahrungen mit Diskriminierung, „del ser choleado“. Auch ich bekam diesen Aspekt einer Bevölkerung clasista[6] mit, da es mir nicht erlaubt wurde, meine Studienkolleg_innen zum Erarbeiten von Referaten nach Hause einzuladen. Ich lebte im Stadtviertel Miraflores, nahe der Uni, im Haushalt einer Mittelklasse Familie, bei der ich ein Zimmer gemietet hatte. Die ältere Señora jedoch war gar nicht begeistert, als sie eines Tages meine Freund_innen und mich erblickte und gab das sowohl ihnen als auch mir zu spüren. Das hatte jedoch nichts mit Besuch generell zu tun, denn mein italienischer Freund konnte problemlos bei mir übernachten. Es war deren soziale Herkunft, die ein Problem darzustellen schien, was mir poco a poco kommuniziert wurde und mich sehr wütend machte.

Eine Lehrende bleibt mir besonders im Gedächtnis, die Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Leonor Lopez Murillo. Eine starke Frau, welche sich in dem männlich dominierten Umfeld der Universität behaupten musste . Sie ist gefürchtet und verlangt den Studierenden viel ab, lässt dabei jedoch unglaublich viel Raum für kritische Diskussionen, Nachfragen, Debatten. Ab und zu ließ sie sich vor oder nach den Einheiten zu Gesprächen mit den Studierenden hinreißen. Ich möchte hier anmerken, dass diese Art von Lehrenden, die sich klar positionieren und ein offenes Ohr für die Probleme der Studierenden haben, ein wichtiger Ankerpunkt für die Studierenden zu sein scheinen, denn Themen wie der Menschenhandel mit jungen Frauen und die alltägliche Gewalt und delincuencia sind der Realität der meisten Studierenden nicht fern. Eines Nachmittags forderte sie uns dazu auf, uns nie unterwürfig gegenüber Autoritäten zu verhalten, sondern unseren Standpunkt zu verteidigen. Außerdem ermutigte sie die Studierenden der Ciencias Sociales y Educación trotz des schlechten Ansehens ihres Studienfaches in der Gesellschaft erhobenen Hauptes aufzutreten: „Se mueren de hambre (como profesores), pero con orgullo.“
Und wenn sich wieder einmal hitzige Diskussionen während der Einheiten entfacht hatten und die Rede auf die kommenden Präsidentschaftswahlen, die eigene Verantwortung und die zivilgesellschaftliche Organisierung kam, da bemerkte sie bezüglich der Lethargie großer Teile der Bevölkerung hinsichtlich des politischen Systems: „Un día cada uno hay que preguntarse: Cuanto te duele tu país?“
Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, welche ich in diesen sechs Monaten machen durfte und voller Zuneigung und Werschätzung für Piura y su gente, que lucha cada día, welche ich bewundere für ihr stetiges, mantrahaftes „seguir adelante“.
[1]Asentamientos humanos: marginalisierte Teile der Stadt an den Peripherien, welche sich meist bilden, wenn Migrant_innen „über Nacht“ „invadieren“ und sich ein Stück Land auf diese irreguläre Art und Weise aneignen (invasiones).
[2]dt.: Bandenmitglied
[3]Geschlossene Wohnkomplexe mit verschiedenen Arten von Zugangsbeschränkungen, welche oftmals großflächige Siedlungen inklusive deren Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, Kindergarten usw.) umfassen und vor allem mit dem Sicherheitsaspekt werben.
[4]dt.: Wächter, Wort kommt vom Englischen „Watchman“
[5]Eigtl. Tombola oder Verlosung, allerdings wird der Begriff auch in diesem Fall benutzt, wenn es um den Verkauf eines Bons für ein Mittagessen geht.
[6]Bezieht sich auf soziale Klassen und bedeutet ein gewisses Klassenbewusstsein, mit dem sich meist privilegiertere Klassen „vom Rest“ abheben und differenzieren.[:]